Was ist Achtsamkeit?
WAS IST ACHTSAMKEIT?
Achtsamkeit ist eine Form des mentalen Trainings. Ein Weg zu lernen, sich seiner Trigger bewusst zu werden und die Gewohnheit, automatisch Social Media oder generell das Smartphone zu benutzen, zu brechen. Achtsamkeit bedeutet, nicht darüber nachzudenken, was in der Vergangenheit passiert ist oder in der Zukunft passieren wird. Stattdessen ist Achtsamkeit eine Technik, auf besonderem Wege den Geist zu fokussieren: sich bewusst zu werden, was gerade, in diesem Moment, passiert. Jetzt beispielsweise, sitzt du wahrscheinlich auf einem Stuhl und liest diesen Text.
Darüber hinaus gibt es einen weiteren wichtigen Aspekt der Achtsamkeit – das zu fokussieren, was gerade passiert, ohne es zu beurteilen oder darauf zu reagieren. Wir neigen dazu, ständig alles zu bewerten: Ist es gut, ist es schlecht? Mag ich es, mag ich es nicht? Das ist in Ordnung. Das ist das, was unser Verstand tut – er bewertet die Dinge, die passieren und sagt uns, was sie für unser Leben bedeuten. Achtsamkeit ist jedoch eine andere Art unseren Verstand zu nutzen. Achtsamkeit bedeutet, sich bewusst zu werden, was du erlebst, ohne dies zu beurteilen und es stattdessen einfach zu akzeptieren.
Weißt du, was ich meine, wenn ich „reagieren“ sage? Wenn mich jemand anschreit und ich zurückschreie, ist das eine Reaktion. Oder, nehmen wir an, du wurdest als Kind von einem Hund gebissen. Wenn dir jetzt auf der Straße ein Hund begegnet, wirst du den Hund wahrscheinlich als „schlecht“ bewerten und dementsprechend reagieren. Du wirst Angst haben, du wirst wegrennen, du wirst dich verteidigen. Achtsamkeit bedeutet genau das Gegenteil. Es bedeutet, den Hund zu sehen, ihn als das wahrzunehmen, was er ist: ein Hund, der dir entgegenkommt. Und nicht darauf zu reagieren, da er dir einfach nur entgegenkommt und dir nichts tut.
Achtsamkeit lässt sich eher erfahren, als darüber nachzudenken oder zu sprechen. Wenn du anfängst zu üben, deinen Geist in einen achtsamen Zustand zu versetzen, wirst du dir deiner Selbst und deiner Umwelt immer stärker bewusst werden. Darüber hinaus kann Achtsamkeit Gefühle von Klarheit, Ruhe und Akzeptanz erzeugen. Achtsamkeit ist eine Fähigkeit, der sich erlernen und trainieren lässt, nicht anders als sich Fahrrad fahren oder das Spielen eines Instruments erlernen lässt. Am Anfang fühlt es sich vielleicht merkwürdig oder schwierig an. Aber mit etwas Zeit und der entsprechenden Übung, wirst du es lernen. Genauso wie du das Fahrradfahren gelernt hast!
Das Prinzip der Achtsamkeit ist sehr einfach, kann bei Zeiten aber herausfordernd sein. Du übst Achtsamkeit, indem du dich auf ein Objekt deiner Wahl (beispielsweise deinen Atem, den Kontakt deiner Füße mit dem Boden, einen schönen Baum oder sogar den morgendlichen Kaffee) fokussierst. Wenn dein Geist daraufhin zu anderen Gedanken wandert, bemerke dies und kehre mit deiner Aufmerksamkeit und deinen Gedanken wieder zu dem Objekt der Fokussierung zurück.
Dein Geist wird wahrscheinlich tausend Mal wandern, aber das ist in Ordnung! Das ist sogar ganz natürlich. Das ist das, was der menschliche Geist zu tun pflegt – er wandert. Stelle einfach fest, wohin dich dein Geist geführt hat und bringe deine Aufmerksamkeit zurück zu dem Objekt, das du fokussieren möchtest.
DER SINN DIESES TRAININGS
Mit Hilfe von Ritualen und Automatismen schaffen wir uns Struktur und Orientierungshilfen, um unsere Bedürfnisse adäquat befriedigen zu können. So schließen wir uns beispielsweise Vereinen an, um einen Austausch mit anderen zu haben, entscheiden uns für ein Studium, um durch einen späteren Beruf finanziell unabhängig zu werden oder putzen uns abends die Zähne, um von unserem Partner oder unserer Partnerin nicht von der Bettkante gestoßen zu werden (und selbstverständlich auch, damit die Zähne gut in Schuss bleiben). Je länger wir diesen Gewohnheiten nachgehen, desto „automatischer“ laufen diese ab. So sind Dinge, über die du anfangs noch bewusst nachdenken musstest, irgendwann so einprogrammiert, dass sie „wie von alleine“ ablaufen. Dieser Prozess ist durchaus hilfreich, da so Energie für andere Dinge übrig bleibt.
Als Kinder und Jugendliche sind wir häufig hinsichtlich der Auswahl der Wege unserer Bedürfnisbefriedigung eingeschränkt oder überfordert. Hier nutzen wir häufig die Strategie, schnelle Erfolge zu erzielen, unabhängig davon, wie die längerfristige Konsequenz aussieht. Dadurch kann es passieren, dass wir denken, bestimmte Dinge tun zu müssen. So entwickeln sich automatische Gedanken wie „Ich muss immer…“, „Ich darf nicht…“ oder „Ich kann nur…“. Diese Entwicklung kann letztendlich dazu führen, dass wir anstelle einer Unterstützung durch Rituale einen Druck verspüren, diesen folgen zu müssen.
Smartphones besitzen viel Potenzial, Bedürfnisse zu befriedigen. So ist es häufig möglich, schnell über eine Plattform mit anderen in Kontakt zu treten und sich von unangenehmen Dingen abzulenken. Im Laufe der Zeit kann es so zu einer Einschränkung deiner Flexibilität kommen. Du befriedigst Bedürfnisse kurzfristig auf eine bestimmte Art und Weise und „verlernst“, dass du diese auch durch andere Wege geregelt bekommen kannst. Das bedeutet nicht, dass der „alte Weg“ falsch ist und komplett weg muss, sondern dass du wieder lernen kannst, dass es auch noch andere Möglichkeiten für dich gibt.
Das Ziel dieses Kurses ist es dir zu helfen, einen flexibleren Umgang mit deinem Smartphone und dem Verlangen nach diesen zu entwickeln. Der Kern besteht darin, dich zu trainieren, besser mit diesem Verlangen umzugehen und automatische Gewohnheiten zu überwinden. Wir hoffen, dass dieser Kurs dich befähigt häufiger auf dein Smartphone zu verzichten, wenn du anderen Dingen nachgehen möchtest. Und das selbst in stressigen oder unangenehmen Situationen! Hierfür wirst du durch informative Texte und Übungen neue Fähigkeiten und Skills lernen und trainieren können. Der Kurs leistet dir demnach nicht nur mentale Unterstützung, sondern bietet ganz praktische Techniken, mit denen du dir selber helfen kannst. Es ist unsere Intention, dir nichts wegzunehmen, sondern dir Alternativen anzubieten.
Um einen möglichst großen Erfolg zu erzielen, solltest du nicht nur im Zuge der „Trainingstage“, sondern auch an freien Tagen die gelernten Übungen anwenden. Selbst wenn es nur ein paar Minuten pro Tag sind. Je mehr du übst, desto besser und schneller wirst du die „Achtsamkeit“ erlernen und desto besser kannst du in Zukunft mit dem Verlangen nach deinem Smartphone umgehen. Das klingt jetzt erstmal nach Stress, irgendwas machen zu „müssen“. Auch das ist nicht unsere Absicht. Wir werden behutsam und nach und nach versuchen, dir Dinge beizubringen und hoffen, dich dadurch nicht zu überfordern. Die Inhalte dieses Kurses sind so gewählt, dass du absolut keine Vorkenntnisse mitbringen musst und wir dich über große Strecken der kommenden Wochen hin anleiten und dir Tipps geben werden.
Manche Inhalte dieses Kurses werden dir vielleicht bekannt vorkommen, andere hingegen werden neu sein und sich im ersten Moment sogar merkwürdig anhören. Versuch dich darauf einzulassen. Falls du also irgendwelche Fragen hast, bitte stell diese. Vergiss nicht: Es gibt keine dummen Fragen! Häufig sind Fragen sogar der beste Weg, etwas Neues zu lernen. Außerdem ermöglichen uns diese Fragen, entsprechende Verbesserungen an diesem Training vorzunehmen.
Natürlich ist deine Teilnahme an diesem Kurs freiwillig. Niemand wird dich zwingen etwas zu tun, was du nicht möchtest. Viele Übungen werden stille Reflexion und ruhige Fokussierung erfordern. Suche dir daher bitte zur Bearbeitung und Umsetzung dieser Übungen eine ruhige Umgebung ohne Ablenkungen. Auch hier ist von unserer Seite anzumerken, dass die ersten Male dich unter Umständen auch etwas unruhig machen können. Das ist ganz normal. Wir sind es häufig nicht gewohnt „achtsam“ zu sein und beschäftigen uns parallel mit vielen Dingen gleichzeitig. Falls während der Übungen Fragen entstehen, merke dir diese und stelle sie gerne im Anschluss an die jeweilige Übung per Evaluationsbogen oder kontaktiere uns per E-Mail.
WAS SIND ACHTSAMKEITSBASIERTE THERAPIEVERFAHREN?
Achtsamkeitsbasierte und körperorientierte Therapieverfahren haben ihren Ursprung in buddhistischen Lehren. Erste wissenschaftliche Studien zu Achtsamkeitsmeditation im Bereich der Psychotherapie wurden Ende der 1970er Jahre durchgeführt. Einen entscheidenden Einfluss erhielt diese therapeutische Schule durch Jon Kabat-Zinn in den 1990ern. Danach gab es weitere Bestrebungen, achtsamkeitsbasierte Verfahren in verhaltenstherapeutische Ansätze einzubauen, eine Entwicklung, die unter dem Begriff „Dritte Welle der Verhaltenstherapie“ gefasst werden kann. In unserem Programm wurde auf ein Behandlungsmanual von Eric L. Garland zurückgegriffen, dem so genannten Mindfulness-Oriented Recovery Enhancement (MORE).
WAS IST MORE?
MORE stützt sich auf drei grundlegende Pfeiler: Achtsamkeit, Neubewertung und Genuss.
Meditation hilft dabei, eine achtsame, nicht wertende Haltung einzunehmen, indem man sich beispielsweise durch Atemübungen auf den Körper konzentriert und sich von der emotionalen Verarbeitung von Erlebnisinhalten löst. Achtsamkeit hat nicht die Absicht, unangenehme Dinge zu beseitigen oder deine Gefühle zu betäuben. Vielmehr liegt der Fokus darauf, eine neue Perspektive auf Umstände zu erlangen und sich dadurch auch ein Stück weit von Ritualen frei machen zu können – der erste Schritt ist häufig, überhaupt einmal ein Bewusstsein für vor sich gehende Prozesse zu entwickeln. Dieser neutrale Standpunkt kann dir dabei helfen, unangenehme Gedanken, Stress, und intensive Gefühle wie aus der Vogelperspektive wahrzunehmen. Dadurch kann sich die Möglichkeit für dich ergeben, Dinge aus einer anderen Sichtweise (vielleicht ja sogar einer positiven!) wahrnehmen zu können. Die sogenannte „Neubewertung“ soll durch Genuss und mittels der Lenkung der Aufmerksamkeit auf natürlich belohnende Erlebnisse unterstützt werden. Die Pflege dieser drei Aspekte – Achtsamkeit, Neubewertung und Genuss – lässt sich als ein Ziel dieses Programms festmachen und wird gemeinsam mit dir über zwölf Sitzungen Schritt für Schritt erarbeitet. Aber erstmal fangen wir klein an: In der ersten Sitzung konzentrieren wir uns auf den ersten Aspekt, Achtsamkeit, mit einer kleinen Meditationsübung.